Sony FE 200-600 G OSS: Reichweite fürs Vollformat

Sony FE 200-600 G OSS: Reichweite fürs Vollformat

Tierfotografie, Wildlife, Sport und alles andere, was etwas weiter weg stattfindet – so lassen sich die bevorzugten Einsatzfelder des Sony FE 200-600 5,6-6,3 G OSS kurz umreißen. Das Telezoom ist Sonys Schritt in den ganz langen Telebereich. Mit Erfolg. Das Lange kann was. Ein Erfahrungsbericht.

Seit über einem halben Jahr nutze ich das Sony FE 200-600 G OSS regelmäßig. Um mein Fazit vorwegzunehmen: Ich finde das Objektiv toll. Das bedeutet nicht, dass es ein kompromisslos gutes Objektiv ist. Aber das heißt: wer in dieser Objektivkategorie zum Sony greift, macht keinen Fehler. Wer Vögel fotografiert, als Sport- oder Wildlifefotograf am Start ist, bekommt mit diesem Objektiv ein Werkzeug an die Hand, mit dem er auf große Entfernung gute Bildergebnisse erzielen kann.

Handling: nicht leicht, aber einfach

Bei einem Objektiv dieser Größe ist die Frage nach dem Handling mit entscheidend für die Qualität der Bilder. Setzt man ein Ultra-Telezoom ein, sollen zwei Dinge zusammengeführt werden, die eigentlich nicht zusammenpassen: viel Gewicht und damit ein erhöhtes Risiko für Verwacklungen, und dennoch das Ziel, feine Strukturen wir Fell oder das Gefieder eines Vogels scharf einzufangen.

Mit 2115 Gramm ist das Objektiv nicht sonderlich schwer. Man ist beim ersten Anfassen sogar positiv überrascht, wie leicht das rund 32 cm lange Telezoom in der Hand liegt. Aber: man darf den Einfluss der Masse nicht unterschätzen. Rastet das Bajonett des FE 200-600 an einer Sony A7 III, A7R III oder A9 ein, hält man rund 2.800 Gramm in den Händen.

Das hört sich nach wenig an, aber im Praxisalltag wird spür- und sichtbar, dass man mit dem Ruhe bewahren beim Auslösen an Grenzen stößt. Trotz Bildstabilisator und einer guten Schwerpunktlage wird einem rasch klar, dass die Kombi nach kurzen Verschlusszeiten verlangt.

Empfehlung: kurz belichten

Will man akkurate Ergebnisse, sehe ich die Faustregel “längste Belichtungszeit = 1/Brennweite”, hier also im Bereich von zirka 1/640, als eher optimistisch. Ich würde empfehlen, besser mit dem ISO-Wert hochzugehen und sich damit eine Belichtungszeit um 1/1000 sichern. Wenn ich an festen Orten fotografieren, setze ich mittlerweile fast immer ein Stativ ein. Unterschreiten die Belichtungszeiten die kritische Grenze, führt am Stativ kein Weg vorbei.

Ein Buchfink sitzt auf einem Ast

Buchfink, mit 1/640 vom Stativ fotografiert

Dennoch ist das Handling dieses Objektivs einfach. Die Gewichtsverteilung stimmt und ändert sich beim Zoomen nicht, da die Länge konstant bleibt – ein großer Vorteil, da man nicht ständig neu ausbalancieren muss.

Der Zoomring ist leichtgängig und manövriert die Optik in nicht ganz 90° durch den gesamten Zoombereich. In Fotopausen lässt sich die Kamera-Objektivkombi gut an der Stativschelle tragen. Das Objektiv hat eine frei belegbare Funktionstaste, die in dreifacher Ausfertigung in 90° Schritten verteilt ist. Sie ist somit in fast jeder Arbeitssituation einfach zu erreichen.

Die Schalter an der Seite für die Autofokusbereiche und die Modi zur Bildstabilisation könnten ein wenig leichtgängiger sein – stört aber nicht. Fällt nur auf. Allgemein gibt es am Handling nichts auszusetzen.

Qualität: solide gebaut

Metall, griffiger Kunststoff, abgedichtet gegen Staub und Spritzwasser, fester Sitz an der Kamera, feine Glaselemente mit Nanobeschichtung – Sony lässt sich auch bei diesem Objektiv der G-Kategorie nicht lumpen. Das “G” stand in den alten Minolta-Tagen für die Profireihe der Objektive. Sony hat das “G” übernommen und die Positionierung jenseits der Consumerprodukte beibehalten. Zwar gibt es inzwischen noch die übergeordnete “GM”-Reihe (G-Master) – den hohen Qualitätsanspruch an Mechanik und Haptik eines G-Objektivs hat diese Erweiterung nicht relativiert. Auch das FE 200-600 G OSS ist ein solides Foto-Werkzeug.

Eine Möwe über dem Meer

Überzeugende Bildqualität in der Tradition der Minolta G-Objektive

Mein einziger Kritikpunkt betrifft die Streulichtblende. Früher, also ganz früher, war diese bei Teleobjektiven aus Metall. Somit waren auch die Lamellen, mit denen die Blende am Objektiv einrastet, aus Metall und entsprechend stabil. Mit den Kunststoffblenden von heute traut man sich kaum, das Objektiv auf der Blende abzustellen. Den feinen Kunststofflamellen will man es nicht so recht zutrauen, das 2,8 Kilogramm Gewicht zu halten. Ja, schon klar, dass eine Blende aus Metall mehr Gewicht bedeutet. Aber die Belastbarkeit wäre mir wichtiger als vielleicht 150 Gramm Gewichtsersparnis oder ein etwas günstigerer Preis.

Sony FE 200-600: detailreich und schnell

Ich bin mit der Bildqualität, die das Objektiv liefert, vollauf zufrieden. Der Autofokus reagiert schnell. Die Bilder sind detailreich. Die Schärfe überzeugt. Ich habe das Sony FE 200-600 G OSS in der Tierfotografie bislang ausschließlich an der Sony A7R III eingesetzt und nie Probleme damit gehabt, dass es der hohen Auflösungsleistung der Kamera nicht hätte folgen können. Klar, es ist in Sachen Schärfe kein FE 90 F 2,8 G OSS Makro. Wer aber zur Bildqualität dieses Telezooms Gründe zum Meckern findet, muss einräumen, dass das Niveau des Meckerns sehr hoch ist.

Nahaufnahme eines Kleibers, der von einem Baum harbschaut

Ein Kleiber detailreich abgebildet: hier bei
600 mm und Blende 6,3

Abbildungsfehler wie chromatische Abberationen sind zu vernachlässigen und können, wenn sie auftreten, leicht korrigiert werden. In dem einen oder anderen Erfahrungsbericht ist zu lesen, dass Helligkeit und Schärfe zum Rand hin leicht abfallen können. Ja, kann schon vorkommen. War für mich in der Praxis bisher kein Thema.

Meistens befindet sich das Hauptobjekt in den unkritischen Bildbereichen. Hat man es nahe der Mitte platziert, kann der leichte Helligkeitsabfall zum Rand hin die Wirkung des Hauptobjekts sogar unterstützen. Noch ein Wort zur Reichweite: Ich habe bei der A7R III den Crop-Modus auf eine Funktionstaste gelegt. Somit springt die Brennweite auf Knopfdruck bis auf 900 Millimeter. Hat was – und liefert bei den verbleibenden rund 18 Megapixeln ausreichend große Bilder.

Lichtstärke: 6,3

Die Lichtstärke ist mit 6,3 in der längsten Brennweite vor allem für jene gewöhnungsbedürftig, die sonst mit Blenden zwischen 1,4 und 4,0 arbeiten. Wenn der Himmel nur ein wenig bedeckt ist und beispielsweise bei der Tierfotografie die Objekte in Bewegung sind, verlangt das Setup mit dem Sony FE 200-600 G OSS bereits nach ISO 1000 aufwärts – sonst werden die Verschlusszeiten zu lang.

Seine volle Stärke spielt die Kamera-Objektivkombi also dann aus, wenn die Sonne scheint. Eine höhere Lichtstärke ist zum Preis des FE 200-600 G OSS und zu den gegebenen Abmessungen nicht machbar.

Wer Super-Tele im Vollformat halbwegs kompakt haben will, muss Kompromisse eingehen. Sie sind aber überschaubar.

Bemerkenswert finde ich das Bokeh. Auch da macht das Sony 200-600 G OSS mit seinen elf Blendenlamellen einen guten Job. Es ist nicht das überragend meisterhafte Bokeh, wie es ein Sigma 105/1,4 zaubert oder es viele 85 mm oder 135 mm Objektive liefern. Aber es ist für diese Art von Objektiv uneingeschränkt gut und keinesfalls störend.

Blumen im Gegenlicht

Überraschend gut: Das Bokeh des Sony FE 200-600

Preis: angesichts der Leistung angemessen

Wie jedes Objektiv hat auch das Sony FE 200-600 G OSS seinen Preis. Knapp unter 2000 Euro ruft der Handel dafür auf (Stand Oktober 2020). Das ist viel Geld. Aber man bekommt dafür eine Leistung, die ich als absolut fair und angemessen bezeichnen will. Ich habe die Investition keine Sekunde bereut.

Man hätte dieses Objektiv gerne ständig dabei. Aber es ist nicht das Immer-drauf-Objektiv. Das Sony 200-600 G OSS ist ein Spezialist. Für Sport- und Tierfotografie. Und alles andere, was nach Reichweite ruft. Mir gefällt’s.

Wer mehr über die technischen Details wissen möchte, sollte direkt bei Sony nachlesen (Mit klicken des Links werden Sie zur Produktwebseite bei Sony weitergeleitet).

Hier noch eine Bildergalerie mit weiteren Fotos und Crops davon. Und im Blog gibt es noch einen Anwendungsbericht zu Hundeportraits mit dem Sony FE 200-600 G OSS.

Christoph Bächtle
studierte Technische Biologie und Wissenschaftskommunikation. Er arbeitet als Texter und Fotograf für Unternehmen, Agenturen und Organisationen.

Schreibe einen Kommentar. Zum Abschicken, Schaltfläche unten klicken.

* Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzbestimmungen, bevor Sie Ihren Kommentar absenden. IP-Adresse werden automatisch anonymisert. Vielen Dank!